Smartphones über Smartphones – Hersteller im Wahn

Nachhaltigkeit, Umweltschutz und die Vermeidung der Ausbeutung der natürlichen Rohstoffe ist ein wichtiger Faktor. Dies haben auch Smartphone-Hersteller erkannt und verzichten immer häufiger auf Ladegeräte in den Verpackungen. Dabei würde es der Umwelt mehr bringen, wenn sie auf sinnlose Smartphonekonstrukte verzichten würden.

Hersteller im Wahn. Eine zugegeben harte Aussage. Doch man muss klar sagen: Der Smartphone-Markt ist immer noch einer der größten Märkte auf der Welt. Alleine im dritten Quartal 2020 wurden 353,6 Millionen Smartphones verkauft, wie aus Technikzentrale24-Recherchen hervorgeht.

Um einen Überblick über die aktuelle Modellanzahl zu bekommen, haben wir die Internetseiten der größten Smartphone-Hersteller auf Basis der Zahlen aus Q3/2020 analysiert und die Modelle addiert.

Anzahl der unterschiedlichen Modelle

  1. Samsung: 53
  2. Huawei: 32
  3. Xiaomi: 30
  4. Apple: 9 (XR, 11, 11 Pro, 11 Pro Max, 12 Mini, 12, 12 Pro, 12 Pro Max, SE)
  5. Oppo: 14
  6. Vivo: 3
  7. OnePlus: 5
  8. Realme: 15
  9. Gigaset: 9

Dabei nicht eingerechnet sind unterschiedliche Farb- oder Ausstattungsvarianten (Speicher, Ram), sondern lediglich die Modellserien. Auch die Marke „Honor“, die vor Kurzem aus Huawei hervorging, wurde noch nicht berücksichtigt.

Wir zählen also bei den oben genannten 9 Herstellern bereits 170 unterschiedliche Modelle, von denen es noch weitere zahlreiche Ableger aufgrund anderer Speicher und Farb-Kombinationen gibt.

Auf die vier größten Hersteller der Welt entfallen hierbei 124 Modelle. Verrückterweise überlegen oder haben es bereits umgesetzt drei von ihnen, auf Ladegeräte der Umwelt zuliebe zu verzichten.

Sie merken: Die Hersteller mit dem größten Smartphone-Irrsinn denken plötzlich an die Umwelt. Übrigens: Wer möchte, darf natürlich gerne ein Ladekabel kaufen. Separat bieten es alle Hersteller an…

Wer hier nun noch ernsthaft glaubt, dass es tatsächlich um die Umwelt gehe und nicht um wirtschaftliche Aspekte, der putzt sich offenbar auch mit dem Straßenbesen die Zähne.

Dass es dann noch zahlreiche Influencer-Youtuber gibt, die genau solche Moves feiern, zeigt nur, wie abhängig diese von den „Giveaways“ oder der Monetarisierung der Hersteller sind.

Braucht es wirklich 30 verschiedene Smartphones je Hersteller?

Ob es tatsächlich 30 Smartphones je Hersteller braucht, lässt sich aus unserem Büro heraus sicher nicht festlegen. Im Gespräch mit Gigaset erklärte uns der Marketing-Chef vor einigen Jahren, dass man hier dem Kundenwunsch folge und es vom Markt so erwartet wird. Dass dies nicht so ist, zeigen Hersteller wie Apple und Oneplus eindrucksvoll.

Aus unserer Sicht reichen einige sinnvoll bepreiste Geräte aus, um den Markt zu füllen. Gerade Xiaomi und Samsung bietet ein Smartphoneportfolio an, bei dem selbst Technik-Enthusiasten nur noch mit der Lupe unterschiede finden.

Man könnte auch sagen: Der Markt ist langweilig. Nein, das Markt ist so langweilig, dass man schon Farbunterschiede wie den neuen heiligen Gral anpreisen muss.

Aus unserer Sicht reicht eine Smartphone-Range von 7 – 10 Geräten vollständig aus, um den gesamten Markt abzudecken:

  1. Seniorentaugliches Einsteigergerät bis 150 Euro
  2. Einsteiger-Smartphone mit rudimentären Funktionen bis 150 Euro
  3. Upgegradetes Einsteiger-Smartphone bis 250 Euro
  4. Mitteklassegerät bis 399 Euro
  5. Mittelklassegerät bis 599 Euro
  6. Gehobene Mitteklasse bis 799
  7. Top-Smartphone bis 999
  8. „Feature-Phone“ mit allem was der Markt hergibt, Falttechnik etc. für 1400 Euro

Auf mehrfachere Speichervarianten könnte bei solch einer Gestaltung verzichtet werden. Dazu könnten Hersteller Konzepte entwickeln, die einen IP-Schutz vor Wasser und Staub gewährleisten, gleichzeitig aber die Backcovers farblich individualisieren lassen, sodass nur noch Oberschalen getauscht werden – wie es vor 20 Jahren üblich war.

Hier verfolgt beispielsweise Gigaset eine interessante Strategie: Der deutsche Hersteller bietet Geräte im niedrigen Preissemgent an, bei denen sich Akku und Rückseite tauschen lassen. Außerdem kann man sich sein Gerät mit einem individuellen Druck oder einer Gravur versehen lassen – zu Preisen von ca. zehn Euro.

Sind wir gegen Fortschritt?

Nein natürlich nicht! Fortschritt ist wichtig. Dies zeigte sich vor allem in der Pandemie-Situation. Ohne digitalen Fortschritt wäre alles deutlich komplizierter gewesen.

Aber braucht es wirklich diese Flut an Smartphones, bei denen sich die Youtube-Profis immer nur noch auf Preise, Farben und Kameramodule beziehen? „Für den Preis ist das Gerät gut“, Für den „höheren Preis auch das andere“?

Ehrlich gesagt: Wir finden nein. Und dann, während man in Billiglohnländern unter katastrophalen Bedingungen produziert, Stichwort Apple in Indien, wo ein Lizenzfertiger vor wenigen Monaten mit einem Mitarbeiteraufstand zu kämpfen hatte, verpackt man in Europa seine Gewinnoptimierung unter dem Deckmantel der Nachhaltigkeit.

Bei allem gebotenen Respekt: Das ist widerlich.

Quelle: Marktanteile Q3/2020 – IDC